Erklärung der DKP Dortmund
anlässlich des Todes eines Jugendlichen aus dem Senegal
Vor zehn Jahren war es ganz anders: Das Opfer im Polizeigewahrsam war unbewaffnet, die Polizei benutzte keine Waffe. Doch vieles heute erinnert an den gewaltförmigen Tod vor zehn Jahren – der Getötete war physisch und psychisch hilflos, die Polizei „griff zu“, ohne Not. Das Opfer war schwarz. Das wurde auffällig lange verschwiegen. Mit Rassismus hat dies nichts zu tun. Womit?
10. Jahrestag des Todes von Ousman Sey:
Ousman Sey starb in der Folge einer unglaublichen Odyssee am 7. Juli 2012 – heute vor zehn Jahren – im Polizeipräsidium Dortmund. Der 45-jährige Mann aus Gambia war krank und suchte ärztliche Hilfe. Er lebte in der Nordstadt, nicht weit von der Klinik Nord. Er rief zweimal um Hilfe, aber der Rettungsdienst erkannte zweimal keine Not – „Du musst nur ruhig liegenbleiben!“ Als sie ihn nicht in die Klinik brachten, erfasste ihn Panik. Jetzt griff die Bereitschaftspolizei ein und transportierte den Mann, gefesselt, ins Präsidium auf der anderen Seite der Stadt. Bevor dort ein Polizeiarzt eintraf, war der Mann zusammengebrochen.
Die Leitungen von Polizei und Rettungsdienst wussten es am nächsten Morgen schon: „Von Rassismus kann natürlich keine Rede sein – jedem anderen wäre es genauso ergangen. Man wird alles genau untersuchen.“
Neun Monate später schloss die Staatsanwaltschaft die Akten: „Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Todeseintritt bei unverzüglicher
Behandlung durch die Rettungssanitäter vermeidbar gewesen wäre.“ Auch die Rolle der Polizei bei diesem Todeseintritt konnte nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden. So unterblieb die
Aufklärung über die skandalöse „Verbringung“ eines Farbigen in den Tod. In der Lokalpresse wurde aus dem Getöteten noch „ein gambischer Randalierer“.
Von Rassismus konnte wirklich keine Rede sein.
Ousman Sey als Mensch symbolisierte perfekt ‚den Anderen‘. Der weckte gleich mehrere Ansätze im komplexen Sumpf des Rassismus: Er war ein Schwarzer. Er war ein Sozialfall. Er war krank, wohl auch alkoholkrank. Er verlangte ein Recht. Er war unbequem. Erfahrene Hilfs- und Ordnungskräfte häten das umstandslos erkennen und solide einordnen können – aber rassistisch mobilisiert handelten sie verhängnisvoll, übrigens nicht vereinzelt und womöglich überfordert, sondern in professionell kompetenten Teams.
Ihre strukturellen Schutzschirme in den Ämtern agierten wie selbstverständlich auch rassistisch. Sowohl die staatlichen Aufsichten und Leitungen als auch die Justiz – die ersten verkündeten sofort umstandslos „da ist kein Rassismus, nirgends“ und die zweite stellte in der Folge mit teils hanebüchenen Begründungen alle Verfahren ein. Auch Medien passten sich mehrheitlich dem rassistischen Sprachgebrauch an und spitzten ihn beifallheischend noch zu.
Die Verweigerung von Hilfe gegenüber ‚Anderen‘, die ethnisch fremd sind, die in Armut leben, die politisch nicht passen, die unbequem sind, ist ein einverständig geübtes Handlungsmuster. Die Verpflichtung zur Hilfe zum Beispiel nach § 323c Strafgesetzbuch (Unterlassene Hilfeleistung) ist so strukturell außer Kraft gesetzt. Die beteiligten professionellen Helfer*innen und ihre Führungen handelten hier mehrfach falsch mit letztlich tödlicher Folge und deckten sich gegenseitig. Wichtig wäre zu fragen, welche Schlussfolgerungen für Ausstattung und Handeln professioneller Hilfe hieraus gezogen wurden.
Auf spektakuläre Weise – man schaue in den Stadtplan und zeichne die Fahrtstrecken nach – wurde Ousman Sey am 7. Juli 2012 zu Tode gebracht. Sein Tod im Polizeigewahrsam reiht sich in eine lang gewordene Reihe von ‚Einzelfällen‘ ein. Es bleibt, dass sein Tod dazu beitrug, strukturellen Rassismus im gesellschaftlichen System differenziert zu erkennen, ihn klassenanalytisch zu analysieren und Grundlagen dazu zu schaffen, ihn auf lange Sicht zurückzudrängen.
Der alte und neue Innenminister des Landes hat begonnen, am Beispiel der rechtsterroristischen Überfälle, Tötungen, Morde seine jahrelang unzureichende Arbeit zu überprüfen. Sie zu bessern, muss den alltäglichen Rassismus erkennen und bekämpfen, auch und gerade den unter seinem Schutzschirm.