Klaus Wagener
Rede am 9. Mai 2023
am Sowjetischen Ehrenmal auf dem Ausländerfriedhof Dortmund
Liebe russische Mitbürger,
meine Damen und Herren,
liebe Freunde und Genossen
hier, am Ehrenmal für die ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter zu stehen, erfüllt mich mit einem Gefühl der Trauer und der Scham. Mit Trauer und Scham, weil wir, das andere Deutschland des Widerstands, unsere Väter und Mütter, das Große Morden der Faschisten nicht hatten verhindern können. Und weil wir, ihre Kinder und Enkel wieder einmal nicht haben verhindern können, dass Deutschland, diesmal an der Seite der USA, das rassistische Kiewer Regime zu einer aggressiven antirussischen Kriegsmacht aufgerüstet und mit Geld und Waffenlieferungen am Leben gehalten hat und weiterhin hält.
Aber der heutige Tag ist auch ein Tag des Sieges. Der Tag, an dem vor 78 Jahren die Rote Armee, den Faschismus in Europa besiegt hat. Ein epochaler Sieg, nicht nur für die Sowjetunion und die Sowjetbürger, sondern auch für Deutschland, für Europa, für die Welt. Die faschistische Wehrmacht war am 22. Juni 1941, als sie die Sowjetunion überfiel, die größte und schlagkräftigste Kriegsmaschine der Welt. Nur die Rote Armee war in der Lage sie zu schlagen. Aber die Sowjetunion musste 27 Millionen ihrer Bürger opfern, um diesen Sieg realisieren zu können. Wer stehen hier an den Gräbern von einigen von ihnen und verneigen uns.
Was wäre geschehen, hätte es die Rote Armee 1941 vor Moskau, oder 1942 und 43 in Stalingrad oder 1943 am Kursker Bogen nicht geschafft? Was wäre, wenn die Rote Armee die Gaskammern und Krematorien nicht hätte abstellen können? Gäbe es in Europa noch Juden, oder Kommunisten, oder Gewerkschafter, gäbe es noch Homosexuelle, Zeugen Jehovas oder gäbe es auch nur irgendjemand, der nicht wie jene im Sportpalast, fanatisch für den Totalen Krieg gebrüllt hätte?
Der Sieg über den Faschismus ist eine historische Großtat, wie es kaum eine zweite gibt.
Und heute, keine 80 Jahre später, als hätte es die 70 Mio. Toten des II. Weltkriegs nicht gegeben, als hätte die Rote Fahne über dem Reichstag nie geweht, hat eine deutsche Außenministerin wieder einmal Russland den Krieg erklärt und wieder einmal will Deutschland Russland ruinieren. Eine deutsche Kanzlerin erklärt öffentlich Russland bei einem internationalen, von der UNO zum Völkerrecht erhobenen Vertrag betrogen zu haben. Sie erklärte, sie habe der Poroschenko-Ukraine Zeit zu verschaffen gesucht. Zeit für die Kriegsvorbereitungen gegen Russland. Alles russische ist geächtet und Tabu, selbst tote Komponisten oder behinderte Sportler. Jeder, der heute in Deutschland für gute Beziehungen zu Russland eintritt oder früher eintrat – für jeden vernunftbegabten Menschen eigentlich eine Selbstverständlichkeit - muss öffentlich Abbitte leisten, er wird geschmäht, verfolgt und sogar vor Gericht gezerrt.
82 Jahre nach dem Scheitern der Operation Taifun mit der Moskau erobert werden sollte, wurde ein Angriff auf das wichtigste politische Zentrum Russlands, das Senatsgebäude des Kreml geführt. In unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Nähe zu den Feierlichkeiten des 9. Mai und zur großartigen Tradition des Unsterblichen Regiments. Diesmal, so darf man getrost vermuten, von den ukrainischen Erben und Bewunderern des deutschen Faschismus. Sie wollten schaffen, was ihren großen Vorbildern 1941 verwehrt geblieben war. Die ukrainische Post feiert diesen Terrorakt mit einer Briefmarke, wie schon den Anschlag auf die Kertsch-Brücke oder auf den Lenkwaffenkreuzer Moskwa. Allerdings hatte die faschistische Wehrmacht 1941 vor Moskau noch rund 2 Mio. Mann zusammenziehen können. Heute können der Westen und seine Kiewer Marionetten allenfalls einige Terrorgruppen mobilisieren.
Russland hat uns, Europa, Deutschland, nie überfallen. Aber Russland wurde immer wieder das Ziel von Angriffen europäischer und auch asiatischer Mächte und schließlich auch der USA. Der erste Angriff wurde um 1240 vom Deutschen Orden vorgetragen.
Er konnte 1242 von einem Heer unter Alexander Newski auf dem Peipussee zu rückgeschlagen werden. Dieses Muster wiederholt sich seither immer wieder, bis heute.
Betrachtet man die Politik und die mentale Ausstattung von Joseph Biden oder Boris Johnson, aber auch der Damen Baerbock oder von der Leyen, so kommt einem ein Satz des großen Dialektikers, Georg Wilhelm Friedrich Hegel ins Gedächtnis. Er lautet: „Man kann aus der Geschichte lernen, dass man aus der Geschichte nichts lernen kann.“
Die gleichgeschalteten, westlichen Medien, sie brauchen für ihre Kriegstrommelei keinen Goebbels mehr, haben ein Paralleluniversum geschaffen, in dem Wladimir Putin seine eigenen Pipelines sprengt und den Kreml bombardiert, und in dem der Staatsschauspieler Wolodymyr Selenky ein furchtloser Freiheits-Held ist, der demnächst die Krim zurückerobert.
Ich zitiere Alisa Zinowjewna Rosenbaum, im Westen besser bekannt als Ayn Rand, normalerweise nicht so gern. Aber hierzu hat sie etwas sehr Richtiges gesagt. Nämlich: „Wir können die Realität ignorieren, was wir aber nicht ignorieren können, sind die Konsequenzen des Ignorierens der Realität.“ Und die Konsequenzen des Ignorierens der Realität werden für Deutschland, für Europa, gravierend sein.
Der russische Präsident hatte sich schon vor 20 Jahren für Offenheit und Freihandel, für einen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok ausgesprochen. Die russische Regierung hatte noch im Dezember 2021 die Schaffung einer europäischen Sicherheitsarchitektur gefordert. Das wären die richtigen Antworten auf die Verheerungen des II. Weltkriegs gewesen und das hätte den Krieg in der Ukraine tatsächlich abwenden können. Beides wurde vom Westen, von der NATO, brüsk abgelehnt, ja nicht einmal diskutiert. Man wollte in Washington, Brüssel und Berlin diesen Krieg, wie schon 1941. Man hat ihn bekommen. Und wieder sterben und leiden die Menschen zu Hunderttausenden. Bis vielleicht ein neuer 9. Mai dem Ganzen ein Ende setzt. Das ist die Tragödie des Ignorierens der Realität.
Als Marxist ist man gewohnt dialektisch zu denken. Auch dieser Krieg ist die Geburtsstunde von etwas Neuem, von etwas, was es seit Jahrhunderten nicht gegeben hat. Der Niedergang der kriegsgestützten europäisch-nordamerikanischen Herrschaft und die Herausbildung einer auf Handel und Kooperation beruhenden eurasischen Zusammenarbeit und eine zunehmende Unabhängigkeit des Globalen Südens. Der chinesische Präsiden Xi Jinping hat es in diesem Jahr bei seinem Besuch in Moskau ausgesprochen: „Wir erleben große Veränderungen. Solche, wie wir sie nicht in 100 Jahren gesehen haben – und wir sind jene, die diese Veränderungen zusammen antreiben“.
Liebe russische Mitbürger, meine Damen und Herren, liebe Freunde und Genossen. Ich wünsche Euch, ich wünsche uns allen einen, soweit es die Ereignisse in der Ukraine zulassen, einen würdigen, aber auch hoffnungsvollen 9. Mai. Und ich bedanke mich für Eure Bereitschaft hier sprechen zu dürfen und für Eure Aufmerksamkeit.