Helmut Manz

Rede gegen den „Thorshop“ in der Dortmunder City am 23.9.2021

Schöner leben ohne Naziläden!

Weg mit dem „Thorshop“!


 

Liebe antifaschistische Freundinnen und Freunde,

Herzlich willkommen auf unserer Protestkundgebung gegen den „Thorshop“, den Naziladen hier. Schön, dass wir so viele sind!

Ich bin immer wieder gefragt worden, was wir eigentlich gegen den „Thorshop“ hätten. Da würde im Wesentlichen doch bloß Kleidung verkauft. Können Kleider Sünde sein? Sollen nicht alle anziehen können, was sie wollen?

Der Einwand klingt vernünftig, und er ist auch vernünftig. Er ist nur zu vernünftig. Zu vernünftig für unsere leider nicht ganz so vernünftige Gesellschaft. Wir leben nicht in einer Gesellschaft, in der Kleider keine Leute machen können. Und wo Kleider Leute machen können, da kann es auch Kleider geben, die Nazis machen. Eben das ist bei den Kleidern hier aus dem „Thorshop“ der Fall.

Wie können Kleider Nazis machen? Nun, sie bedienen ein – nennen wir es mal – Bedürfnis. Es lässt sich in drei Sätzen zusammenfassen: „Ich bin nichts! Ich kann nichts! Gebt mir eine Uniform!“

Wenn Nazis träumen, dann träumen sie von einer Uniform - einer ganz bestimmten Uniform: der echten SS-Uniform von Hugo Boss! Das war noch eine Uniform. Damit konnte man noch massenhaft Todesangst um sich verbreiten!

Der Mordsspaß ist seit 1945 vorbei. Seitdem stattet der Herrenrassenausstatter mit dem Doppel-S nur noch Herren aus. Und seither sind die Nazis auf der Suche nach der verlorenen Uniform ihrer Träume. Um nicht ganz nackt dazustehen, mussten sie sich mit allerlei Feigenblättern behelfen – wie etwa mit Kleidungsstücken der Marke „LONSDALE“. Wenn man mit der Jacke das LO am Anfang und am Ende das E und das halbe L verdeckte, konnte man den Anschein erwecken, ein NSDAP – T-Shirt zu tragen. Bei „LONSDALE“ stieß die Nazivorliebe allerdings nicht auf Gegenliebe. Die Marke distanzierte sich entschieden von ihrer braunen Kundschaft und auch diese musste erkennen, dass sich mit dem Pseudo-NSDAP-Look von „LONSDALE“ nicht annähernd der Eindruck der erträumtem SS-Uniform schinden ließ.

Heute ist der Nazi-Traum von der Terror-Uniform fast schon in greifbarere Nähe gerückt. Das ist vor allem der Hausmarke des „Thorshops“ „Thor Steinar“ zu verdanken. „Thor Steinar“ bietet den Lifestyle, der Nazi-Herzen höherschlagen lässt: nämlich den „Viking Lifestyle“ der von Himmlers Lieblingsgeneral Felix Steiner geführten Waffen-SS Division „Wiking“. Dass sich der SS-General mit „e“ und die Marke mit „a“ schreibt, stört die Kundschaft nicht. Die Einen stehen ohnehin mit der Rechtschreibung auf Kriegsfuß, und den Anderen gefällt die plumpe Tarnung, mit der das Modelabel die Justiz zum Narren hält.

Zum echten SS-Mordskerl gehörte nicht nur die Boss-Uniform, sondern auch die unter dem linken Oberarm eintätowierte Blutgruppe. Auch „Thor Steinar“ will unter die Haut gehen und bietet dafür den Aufkleber „100% Pure Viking Blood“ an. Mit diesem Aufkleber aus dem 1 Euro-Set kann sich der „Thor Steinar“-Kunde selbst als reinblütiger Wikinger auszeichnen. Dass es die Blutgruppe „Viking“ bzw. „Wikinger“ gar nicht gibt, heißt nicht, dass man sich nichts darauf einbilden kann.

Thor Steinar“ preist sich selbst als „Nordic Brand“ an, was wörtlich übersetzt „nordisches Brandzeichen“ bedeutet. Wer „Thor Steinar“ trägt, kann sich also nicht nur bekleidet, sondern auch gebrandmarkt fühlen. Für dieses erhabene Gefühl greift „Thor Steinar“ seinen Kunden tief in die Tasche. Branding hat auch noch einen übertragenen Marketing-Sinn. Wie Viehzüchter ihre Kälber brandmarken, so missbrauchen Werbefachleute ihre Kundschaft als Werbefläche. Branding ist die Kunst, Menschen dazu zu bringen, sich als Werbefläche für eine Marke herzugeben - und dafür nicht nur nichts zu verlangen, sondern auch noch zu bezahlen. Merke: Nur die allerdümmsten Kälber zahlen für ihr Branding selber!

Das fällt leichter mit der Illusion, die „hochwertigen und modischen Textilien“ eines „deutschen“ Modellabels „mit skandinavischen Wurzeln“ zu tragen. Das „deutsche“ Label „Thor Steinar“ erwähnt lieber nicht, dass es in der Türkei und in China produzieren lässt. Qualitativ gibt es keinen Unterschied zur sogenannten Billigkonkurrenz. Das einzige, was an den „Thor Steinar“-Textilien wirklich hochwertig ist, ist ihr stolzer Preis. Er wird für die Marke als solche, die Aufdrucke und das Markenzeichen, gezahlt. Die „skandinavischen Wurzeln“ sind nichts als „nordisches“ Deko. Den Missbrauch der norwegischen Flagge hat der norwegische Staat gerichtlich untersagt. Norwegen will sich nie wieder von deutschen Faschisten besetzen und vereinnahmen lassen.

Thor Steinar“ ist faschistischer Markenfetischismus in Reinkultur. Das Verbot des Markenzeichens hat deshalb die Marke bis ins Mark getroffen. Der Umsatz brach ein und der Firmensitz musste zeitweilig nach Abu Dhabi verlegt werden. Das legale Ersatz-Logo, eine Gebo-Rune, stieß bei der Kundschaft auf wenig Gegenliebe. Die Gebo-Rune lässt sich auch als Zeichen der Gastfreundschaft verstehen. Das ist untragbar für Menschen, die sich über brennende Flüchtlingsheime freuen können.

Das Original-Logo von „Thor-Steinar“ ist ein Imitat. Sein unverkennbares Vorbild ist das Symbol des neonazistischen „Thule-Seminars“. Es kombiniert eine Tyr-Rune mit einer Gibor-Rune. Die Tyr-Rune steht in der nordischen Mythologie für Kampf und Aktion und wurde deshalb auch von NS- und SS-Organisationen als Abzeichen verwendet. Bei der Gibor-Rune handelt es sich um die sogenannte Wolfsangel. Sie wurde besonders in der Endphase des II. Weltkriegs als Symbol des völkischen Widerstands propagiert und von Werwolf-Einheiten und Sabotagegruppen verwendet. Wegen dieses eindeutigen NS-Bezugs wurde das „Thor Steinar“-Logo 2004 verboten – nach § 86 a StGB, der das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ unter Strafe stellt.

Mittlerweile hat sich zwar nicht die Sachlage, aber die Rechtsprechung geändert. Das Nazi-Zeichen gilt heute nicht mehr als „eindeutig rechtsextrem“. Der Gewöhnungseffekt dürfte das rechte Auge der Justiz getrübt haben. Der Rechtsextremismus wird unauffälliger, wenn er sich breit macht. Er scheint „normaler“ zu sein. Übersehen wird, dass der Faschismus keineswegs „harmloser“ oder „gemäßigter“ wird, wenn er sich nicht nur auf extreme Randgruppen beschränkt, sondern auch in die „Mitte der Gesellschaft“ vordringt. Und mit „Thor Steinar“ kommt Nazi-Mode gerade in Mode. Es gibt mittlerweile nicht wenige Mode-Mitläufer und auch Mitläuferinnen. Nicht alle sind Nazis. Aber viele werden Nazis.

Thor Steinar“ versieht seine Kundschaft mit einer rassistischen Herrenmenschen-Identität. Gerade für Jugendliche mit Identitätsproblemen ist dieses Angebot verführerisch. Man muss sich bloß das „rassige“ Outfit zulegen – und schon kann man sich einbilden ein „besserer Mensch“ zu sein: nämlich ein „Herrenmensch“, der anderen „minderwertigen“ Menschen überlegen ist. Solange diese narzisstische Einbildung im eigenen Kopf wuchert, ist sie äußerlich unauffällig. Doch früher oder später gerät sie mit der Realität in Konflikt. Die eingebildete Überlegenheit wird von anderen Menschen nicht anerkannt. Dann will sich die eingebildete Überlegenheit „beweisen“. Dann muss den vermeintlich Minderwertigen ihre Minderwertigkeit klargemacht werden. Ist es nicht das „angestammte“ Recht eines „Herrenmenschen“, „Untermenschen“ demütigen, misshandeln und töten zu dürfen?

Das Grundgesetz beantwortet diese Frage mit Nein. Der „Herrenmensch“ kann diese Antwort nur als „Entrechtung“ verstehen. Wenn er dann beschließt, gegen diese „Entrechtung“ zu kämpfen, schnappt die Wolfsangel zu. Der „Herrenmensch“ wird zum „Werwolf“. Nicht immer nur in der Einbildung. Bei einer in Schleswig-Holstein aufgeflogenen Terrorzelle war der Wahn offenbar schon weiter fortgeschritten. Der Name der Terrorzelle „Nordic Division“ war übrigens von einer Kleidungs-Kollektion inspiriert.

Die inspirierende „Nordic Division“-Kleidung gibt es hier im „Thorshop“ zu kaufen. Er hat nicht nur „Thor Steinar“ im Angebot. „Thor Steinar“ ist der legale Schafspelz für werdende Werwölfe. Gewissermaßen die Einstiegsdroge. Der „Thorshop“, der sich „Shop mit dem Hammer“ nennt, hat auch härtere Labels auf Lager: zum Beispiel ein „relativ junges deutsches Textillabel“ namens „GSS“. „SS“ steht natürlich - zwinker, zwinker – nicht für Schutzstaffel. „GSS“ ist das Kürzel von „German Schock Style“. „German Schock Style“ will laut Eigenwerbung bekannt sein „durch seine provokanten teils lustigen Wehrmacht-Motive“ und gibt folgende Kostproben: „bei Opa war noch Ordnung, Ran an den Feind, German Sniper“ oder „German Schützenfest“.

GSS ist offenbar das Label für den „einsamen Werwolf“. Es bietet das perfekte Outfit für Amokschützen wie in Halle oder Hanau. Und gerade bei diesem Tätertyp ist das Outfit alles andere als eine bedeutungslose Äußerlichkeit. Schließlich will der „German Sniper“ bei seinem „German Schützenfest“ eine perfekte Performance im Netz abliefern. Für diese Zielgruppe ist der „GSS“-„Vertriebsstützpunkt“ im „Thorshop“ strategisch optimal postiert. Zur Synagoge oder zu den Shisha-Bars in der Münsterstraße ist es von hier aus nur ein Katzensprung.

Selbstverständlich lebt der „Thorshop“ nicht nur von „einsamen Werwölfen“, die vom großen Ego-Shooter-Blutbad träumen. Er bietet auch das Outfit für den alltäglichen Straßenterror in der „national befreiten Zone“. Hierfür empfiehlt sich die „Nordic Division“-Marke „Aggressive Doberman“ im „unteren Preissegment“. „Aggressive Doberman“ ist das Label für den „SA-Rudel-Typ“. Der „Doberman“-Look signalisiert Selbstbewusstsein: „Ich bin stolz ein Kampfhund zu sein!“, bellt er unübersehbar in die Welt. Wer sich dafür nicht zu blöd oder zu schade ist, ist reif für die „nationale Streife“, die durch die „befreite Zone“ patrouilliert. Und wenn eine Mutter mit Kind und Kopftuch verängstigt die Straßenseite wechselt, dann erleben echte Dobermänner etwas, das sie „innerer Reichsparteitag“ nennen.

Was für den SA-Dobermann der Reichsparteitag ist, ist für den SS-Esoteriker die heilige Halle in der Wewelsburg: der SS-Obergruppenführer-Saal. Der SS-Obergruppenführer war bis 1942 der höchste SS-Rang. Wir sprechen hier also von der Rangstufe der SS-Generäle vom Steiner-Schlag mit „e“. Kühner können Nazis kaum träumen! Und der „Thorshop“ wäre nicht der „Shop mit dem Hammer“, wenn in ihm nicht auch die Behämmertsten auf ihre Kosten kämen. Für sie bietet die „Elite“-Marke „Ansgar Aryan“ das Kapuzensweatshirt „Black Sun“ an. Auf ihm zeigt ein Fahnenträger über der Parole „Europa über alles“ die „Schwarze Sonne“, das von KZ-Häftlingen in der Mitte des SS-Obergruppenführersaals eingelassene Bodenornament. Das Symbol der Symbole besteht aus drei Hakenkreuzen oder zwölf Sieg-Runen bzw. SS-Runen.

Warum ist dieses ultrafaschistische SS-Symbol nicht verboten? Zählt die SS nicht zu den verfassungswidrigen Organisationen, deren Kennzeichen nicht verwendet werden dürfen? Das sind sehr gute Fragen, auf die die Bundesregierung sehr ungern antwortet. Auf eine Anfrage der Linksfraktion gab sie sogar vor, noch nicht einmal zu wissen, dass die „Schwarze Sonne“ von vielen Nazis als Ersatzsymbol für das verbotene Hakenkreuz genutzt wird. Die „Schwarze Sonne“ ist in der militanten Neonazi-Szene Kult. Und über diese Szene müsste die Bundesregierung eigentlich besonders gut informiert sein, weil dort jede Menge V-Leute im Einsatz sind.

Aber dort, wo der Verfassungsschutz seine Finger im Spiel hat, gelten Recht und Gesetz - freundlich formuliert – nur bedingt. Der Inlandsgeheimdienst will sich von der regulären Polizei und Justiz nicht ins heimliche Handwerk pfuschen lassen. Davon wären diese wohl kaum abzuhalten, wenn das Kultsymbol der unter Verfassungsschutz stehenden Szene offiziell verboten wäre. Letztlich geht also wohl doch alles mit rechten Dingen zu: Die „Schwarze Sonne“ ist nur vordergründig das unheimliche Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation. Eigentlich ist sie das heimliche Kennzeichen des Verfassungsschutzes.

Darf das wahr sein? Nein, natürlich nicht. Aber es kann wahr sein. Der Verfassungsschutz macht vieles möglich, was nicht wahr sein darf. Ich erinnere nur an die Mordserie des NSU, des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“.

Auf den Verfassungsschutz, liebe Freundinnen und Freunde, sollten wir uns besser nicht verlassen. Wenn wir verhindern wollen, dass der Faschismus wieder in Mode kommt, dann müssen wir selbst aktiv werden.

Danke, dass ihr da seid!

Danke für die Aufmerksamkeit.

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