Kein Ersatz für Verhandlungen

Duma empfiehlt russischem Präsidenten die Anerkennung der Volksrepubliken im Donbass

 

Am 15. Februar beschloss das Parlament der Russischen Föderation, die Staatsduma, eine von der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) eingebrachte Entschließung, in der der Präsident der RF aufgefordert wird, die Donezker und die Lugansker Volksrepublik als souveräne Staaten anzuerkennen. Die KPRF hatte dies seit den Referenden über die Unabhängigkeit der Volksrepublik des Donbass im Jahr 2014 gefordert und mehrere Versuche unternommen, dies in die Staatsduma einzubringen. Dieses Mal hatte die Regierungspartei „Einiges Russland“ (ER) am Tag vor der Abstimmung einen eigenen Entwurf eingebracht, der sich von dem der KPRF dadurch unterschied, dass er eine Konsultation mit dem Außenministerium vorsah, was den Vorgang verzögert hätte. Beide Entwürfe wurden vom zuständigen Ausschuss ins Parlament eingebracht. Das Abstimmungsverfahren sieht in einem solchen Fall vor, dass beide Entwürfe zur Abstimmung gestellt werden, die Abgeordneten können auch beiden Entwürfen zustimmen oder beide ablehnen. Während sich die Fraktionen der KPRF und der sozialdemokratischen Partei „Gerechtes Russland – für die Wahrheit“ an der Abstimmung zum ER-Entwurf nicht beteiligten, stimmten viele ER-Abgeordnete für beide Entwürfe. Aus diesem Grund fand der KPRF-Entwurf die Mehrheit und ist somit geltende Beschlusslage. Dies macht deutlich, dass auch die ER-Fraktion den weitergehenden Antrag der KPRF im Grunde teilt, ihm aber nicht ohne einen eigenen Antrag zustimmen wollte. Bis auf eine kamen alle Gegenstimmen von der Fraktion „Neue Menschen“, einer liberalen Partei, die in dieser Periode zum ersten Mal in der Duma vertreten ist.
 

Die Abgeordneten weisen in ihrem Beschluss darauf hin, dass die Ukraine, deren Regierung sich positiv auf die faschistischen Kollaborateure mit Nazi-Deutschland bezieht, seit fast acht Jahren Krieg gegen den Donbass führt und eine vollständige Wirtschaftsblockade verhängt hat, während sie die in den Minsker Vereinbarungen vorgesehenen direkten Verhandlungen mit Vertretern der Volksrepubliken sowie alle anderen Regelungen dieser Vereinbarungen vollständig boykottiert. (siehe Kasten). „Eine solche Anerkennung wird die Grundlagen dafür schaffen, um Sicherheitsgarantien und den Schutz ihrer Völker gegen äußere Bedrohungen und gegen die Umsetzung einer Politik des Genozids gegen die Einwohner der Republiken zu gewährleisten, sowie um den internationalen Frieden und die regionale Stabilität entsprechend der Ziele und Prinzipien der Satzung der Organisation der Vereinten Nationen zu festigen und sie wird eine Grundlage für einen Prozess der internationalen Anerkennung beider Staaten legen“, heißt es in der Resolution der Duma. Der Präsident der RF wird aufgefordert, nach der Anerkennung schnellstmöglich Verhandlungen mit den Republiken zur Regelung der Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung - einschließlich der Fragen der Sicherheit - durchzuführen.
 

Eine Anerkennung der Volksrepubliken des Donbass ist damit noch nicht erfolgt, diese obliegt dem Präsidenten. Von den Regierungen der Volksrepubliken des Donbass wurde die Entscheidung der Duma noch am selben Tag begrüßt.

 

In der Begründung wird auf die Verschärfung der Lage im Donbass hingewiesen. Die Angriffe von Seiten der Ukraine haben nach einer relativ ruhigen Phase seit Anfang Februar wieder zugenommen.
Sowohl von Seiten der Volksrepubliken als auch von Seiten Russlands wird auf Pläne zu einem breit angelegten Angriff hingewiesen, der mit einer Provokation von Seiten der Ukraine beginnen könnte. Dies könnte zum Beispiel ein verdeckter Angriff auf ein Industrieobjekt sein, der den Volksrepubliken in die Schuhe geschoben würde. Seit dem 18. Februar, haben die Angriffe auf die Volksrepubliken um ein Vielfaches zugenommen. Es gibt Verletzte und Tote, auch unter der Zivilbevölkerung, Strom- und Wasserversorgung ganzer Ortschaften werden immer wieder unterbrochen. Die Regierung beider Republiken organisieren in Zusammenarbeit mit Russland die Evakuierung vor allem von Frauen mit kleinen Kinder und alten Menschen in die Russische Föderation. Eine allgemeine Mobilisierung wurde ausgerufen.

 

USA, NATO und EU nutzten den Duma-Beschluss sofort, um die Kriegsrhetorik gegen Russland weiter zu verstärken. Sie verurteilten den Beschluss, da eine Umsetzung einen Ausstieg aus den Minsker Vereinbarungen bedeute. Laut Kiew sei Russland mit dem Parlamentsbeschluss bereits aus den Minsker Vereinbarungen ausgestiegen.
 

Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte in der Pressekonferenz anlässlich des Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass die Duma den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung wiedergebe, die eine Anerkennung der Volksrepubliken für richtig halte und nannte das Geschehen im Donbass einen Genozid. Er betonte aber, dass die Minsker Vereinbarungen noch nicht ausgeschöpft seien. Offensichtlich will die russische Regierung den Beschluss der Duma nutzen, um noch einmal Druck auf den Westen auszuüben, Kiew zu direkten Verhandlungen mit den Republiken des Donbass zu zwingen und gleichzeitig, sollte dies keinen Erfolg haben, weitere Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.
 

Im Vorfeld der Parlamentsdebatte wiesen auch Abgeordnete der KPRF darauf hin, dass eine Anerkennung der Republiken die direkten Verhandlungen zwischen dem Donbass und der Ukraine, die von der Ukraine bisher vollständig verweigert werden, nicht ersetzen kann. Allerdings kann der Beschluss den Druck auf die Ukraine erhöhen, solche Verhandlungen über eine zukünftige friedliche Koexistenz endlich zu führen.
 

Diese Auffassung vertrat am Tag nach der Dumaentscheidung auch der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Donezker Volksrepublik, Boris Litwinow. Er gehe davon aus, dass sich Russland in einem relativ kurzen Zeitraum für eine offizielle Anerkennung entscheiden werde. Dies bedeute allerdings nicht das Ende einer Notwendigkeit direkter Verhandlungen der Volksrepubliken und der Ukraine über eine friedliche Koexistenz als selbständige Staaten, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu ermöglichen.

 

Die KP der DVR ruft anlässlich der Lage im Donbass zu Solidaritätsaktionen von Bruderparteien in der ganzen Welt mit den Volksrepubliken des Donbass auf.

Renate Koppe

 

 

Kasten Minsker Vereinbarungen

 

Am 5. September 2014 wurde in Minsk das Minsker Protokoll (Minsk-1) von einer aus der OSZE, der Ukraine und Russland bestehenden Kontaktgruppe ausgehandelt. Ziel war eine friedliche Regelung des Konflikts zwischen der Ukraine und den Volksrepubliken des Donbass. Der Konflikt war dadurch entstanden,dass die Verwaltungsbezirke Donezk und Lugansk, die nach einem nationalistischen Staatsstreich in der Ukraine ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, von der Ukraine in Rahmen einer „Antiterroroperation“ mit Truppen angegriffen worden waren. Ziel der Verhandlungen war hauptsächlich ein Waffenstillstand, dessen Überprüfung durch die OSZE, gegenseitiger Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und dem Donbass, eine Amnestie sowie eine Föderalisierung der Ukraine.

Die Volksrepubliken des Donbass nahmen dieses Dokument durch Unterschriften von Alexandr Sachartschenko und Igor Plotnizkij zur Kenntnis, die damals Ministerpräsidenten der Donezker beziehungsweise Lugansker Volksrepublik waren, sie waren an den Verhandlungen aber nur als Beobachter beteiligt.

Die in Minsk-1 festgeschriebenen Ziele, selbst ein kurzfristiger Waffenstillstand, wurden nicht erreicht, die Angriffe der Ukraine auf den Donbass und die Kämpfe gingen weiter.

Wenn heute von den Minsker Vereinbarungen gesprochen ist, ist Minsk-2 gemeint, das am 12. Februar 2015 zwischen dem Französischen Präsidenten François Hollande, der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko ausgehandelt und unterzeichnet wurde. Die Volksrepubliken des Donbass nahmen an den Verhandlungen nicht teil, wurden aber konsultiert, und nahmen die Ergebnisse durch die Unterschrift ihrer Staatsoberhäupter zustimmend zur Kenntnis. Sie beziehen sich seitdem positiv auf deren Umsetzung. Dieses Abkommen wurde durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrats in den Status eines völkerrechtlich verbindlichen Dokuments erhoben.
Der in einer bestimmten Reihenfolge umzusetzende Maßnahmenkatalog von Minsk-2 umfasst als wichtigste Punkte:

Waffenstillstand

Abzug schwerer Waffen

Monitoring durch die OSZE

Verhandlungen zwischen der Ukraine und den Volksrepubliken des Donbass über die Festlegung von Modalitäten für Kommunalwahlen in den Volksrepubliken

Gefangenenaustausch

Amnestie für alle Beteiligten

einen besonderen Status des Donbass.

Die Amnestie, die Modalitäten für die Wahlen und der besondere Status für den Donbass müssen in Gesetzen beziehungsweise in der ukrainischen Verfassung festgehalten werden, beides muss zwischen der Ukraine und dem Donbass vereinbart werden.
Im Maßnahmenkatalog sind Kriterien für den besonderen Status des Donbass festgelegt, diese sehen unter anderem eine eigene Außenpolitik, ein eigenes Bildungswesen, ein eigenes Gerichtswesen und eigene Streitkräfte (die Volksmilizen) für den Donbass vor.
Erst nach Umsetzung all dieser Regelung, sollte die Ukraine die Kontrolle über die Grenzen zwischen dem Donbass und Russland zurückerhalten.

Minsk-2 sieht also eine Lösung des Konflikts über Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien vor, Russland, Frankreich und Deutschland übernehmen nur Garantien für die Umsetzung. Ziel der Vereinbarung war es, zu erreichen, dass die Ukraine mit dem Donbass unmittelbar verhandelt.

In Minsk-2 ist festgehalten, dass dieser Prozess bis Ende 2015 abgeschlossen sein sollte.Seitdem finden regelmäßig Gespräche im Rahmen der Minsker Kontaktgruppe statt, an denen die Konfliktparteien die OSZE und die RF als Vermittler beteiligt sind. Die Umsetzung hat jedoch bis heute praktisch nicht begonnen, da die Ukraine jeden direkten Dialog mit den Vertretern des Donbass ablehnt und sich insbesondere weigert, die Gesetze und Verfassungsänderungen mit dem Donbass zu vereinbaren. Selbst ein Koordinationsmechanismus zwischen den Konfliktparteien zur Reaktion auf Verletzungen des Waffenstillstands ist nach seiner Einrichtung von der Ukraine boykottiert worden, da dieser eine direkte Zusammenarbeit der Konfliktparteien vorsieht. Die einzigen realen Ergebnisse waren einige Gefangenenaustausche zwischen den Konfliktparteien. Zahlreiche vereinbarte Waffenstillstände wurden von der Ukraine nach nie mehr als zwei oder drei Tage gebrochen.

Die Ukraine hat praktisch von Anfang an auf eine Sabotage von Minsk-2 hingearbeitet beziehungsweise auf deren Revision, da sie die weitgehende Autonomie, die im Grunde auf eine Konföderation mit dem Donbass hinausläuft, nicht akzeptiert, auch wenn diese Regelungen von Poroschenko nach schwerwiegenden militärischen Niederlagen gegen den Donbass unterzeichnet wurden. Inzwischen wurden in der Ukraine auch Gesetze beschlossen, die „Minsk-2“ direkt widersprechen.

Die Volksrepubliken des Donbass hingegen haben die Minsker Vereinbarungen akzeptiert, sie allerdings immer so interpretiert haben, dass ihre – durch die Referenden bestätigte – Souveränität nicht zur Disposition steht und dass es um eine friedliche Koexistenz mit der Ukraine mit bestimmten vertraglichen Bindungen gehe.

 

 

Druckversion | Sitemap
© DKP Dortmund