Wolfgang Richter Kommentar zur inneren Aufrüstung der Polizei

 

 

"Double Down” in der Nordstadt

 

Der Polizeipräsident veröffentlicht eine Pressemitteilung nach der anderen – ist ja gut, er informiert (u.a. Nordstadtblogger). Er ordnet alle paar Tage die Fortführung der “strategischen Fahndung” an, die die Jagd auf verdächtig ausschauende Personen freigibt, schon wegen Hautfarbe und Klamotten. In dem Meer seiner jetzt zwanzig gleichen ‘Erfolgsmeldungen’ überlebt ein einzelner fremder Text – er stellt Fragen zur Sinnhaftigkeit der polizeilichen Maßnahmen. Antworten gibt es nicht – aber die einsame Kritik darf bleiben, Fragen dürfen noch gestellt werden, man muss sie ja nicht weiter beachten.

 

Brandneu: Die so gefährlich eingestufte Nordstadt soll zusätzliche Beamte für ihre zentrale Wache Nord erhalten (RN, 19.08.2023). Der Präsident ist glücklich, aber es ist vergiftete Medizin – als die Wache vor einem Jahr auszog, den farbigen ‘auffälligen’ jungen Flüchtling vor sich selbst zu schützen, waren sie zu 11 und brachten ihn kollektiv zu Tod. Bald werden sie zu 20 sein können. “Double down” - nimm die falsche Medizin weiter, aber mehr davon ...

 

Gewalt ist die herrschende Sprache. Kriegstrommeln, Waffenpräsentationen als ‘Schutzschirme’, Säbelrasseln gegenüber Abweichlern, politischen und sozialen Outsidern und nicht zuletzt immer unverhohlenere Drohungen gegen jede Form des Andersdenkens. Abweichung vom medial vermittelten Gesinnungsmoralismus wird mit Repression beantwortet.

 

Gesellschaftliche Debatten gibt es nicht mehr. Einfache Antworten dominieren die Szene. Es geht nur noch um die Frage, auf welcher Seite man steht - ist man Mitläufer bei den “Guten” oder gehört man zu den Abweichlern, in früheren Zeiten Ketzer oder Hexen genannt. So ist es auch wenig erstaunlich, wenn öffentlich immer mehr geschwiegen wird und stattdessen Waffen sprechen.

 

Wer den Anweisungen von Uniformierten und ihren zur Schau gestellten Waffenarsenalen und damit als Autorität geltenden Personen nicht folgt, wird immer häufiger physisch angegangen. Polizeigewalt ist nicht neu - jedoch das Ausmaß an Brutalität, nicht von ungefähr ausgeübt in Gruppen, spiegelt die medial ungehemmt vorgetragenen Bestrafungs- und Vernichtungsfantasien gegenüber dem Anderssein.

 

Der Wandel ist schleichend. Erst wird das politische Klima in der Gesellschaft über Denunziation vergiftet. Dann wird Satire verboten. Hier hatte schon in den vorigen 20er Jahren Kurt Tucholsky den Finger in die Wunde gelegt - “Majestätsbeleidigung” ist, wie man an Frau Baerbock sehen kann, wieder ein öffentliches Problem. Und schon darf man nicht mehr mit Dichtern und Sängern antworten - das Wort Diktatur kann nach den Regeln der Gesinnungsmoral von Amts wegen, wie Herr Steinmeier sagt, nicht verwendet werden, ohne als “Demokratiefeind” gebrandmarkt zu werden:

 

“… Die Diktatur ist noch nicht ganz ausgereift, sie übt noch.

Wer ihren Atem spürt, duckt sich schon präventiv.

Nur der Narr ist noch nicht ganz erstarrt, er liebt noch

Und wagt zu träumen, deshalb nennt man ihn ‘naiv’...”

(Konstatin Wecker in: Empört Euch, 2011)

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