Gedanken zur Kundgebung am 29. Januar 2021 in der Nordstadt:

 

Gegen die weitere Bewaffnung der Polizei

Für eine friedliche internationale Nordstadt

 

Die Nordstadt – unser Leben in Dortmund – ist der am meisten beachtete und beobachtete Teil der Stadt. Einerseits loben Kampagnen der Stadtentwicklung seine Lebensqualitäten und heben sie in internationale Höhen, vergleichen ihn mit den schönsten Partien von Paris und London und erfinden immer neue Charme-Offensiven. Andererseits konzentrieren sich ständige Ordnungskampagnen des Oberbürgermeisters und des Polizeipräsidenten voll auf ihn, Razzien lösen einander ab und diffamieren die hier lebenden Menschen.

 

Den Dortmunder Norden prägen mit der höchsten Bevölkerungsdichte und über 73 Prozent Migrationsanteil auch die höchsten Werte in den Bereichen Arbeitslosigkeit, geringfügige Beschäftigung, Perspektivlosigkeit und Wohnraumknappheit. Zusätzlich lässt Corona den Stadtteil zum explosiven Hotspot werden. Nirgendwo in der Stadt sind die Lernbedingungen und Zukunftschancen für die Kinder aus großen Familien so schlecht wie in der Nordstadt. Hier wird Armut konzentriert und stigmatisiert. Aber nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen, nicht der Ausbau des sozialen Wohnungsbaus, nicht Investitionen ins Schulwesen, nicht die sozialen und kulturellen Dienste sowie Klima- und Gesundheitspolitik werden hier forciert – nein, bestenfalls werden Gentrifizierung, Förderung von Mietspekulation bzw. Verdrängung der Menschen aus der Nordstadt als Armutsbekämpfung verkauft.

 

Aktuell scheinen hier wieder neue Kontroll- und Überwachungssysteme und ihr Einsatz das Herrschaftsinteresse von Politik und Polizei gefunden zu haben. Wieder einmal wird das Leben in der Nordstadt zum Versuchsfeld für Beobachtungs- und Waffensysteme erklärt, werden teils lebensbedrohende Experimente geprobt und Formen der sozialen und rassistischen Verdächtigungen massenhaft angewandt.

 

Am 15. Januar 2021 erhielt die Polizei in der Nordwache endlich angemessenes Kampfgerät. Die “Distanzelektroimpulsgeräte” schießen stromführende Pfeilspitzen mit Widerhaken an Drähten, die die Getroffenen kurzfristig lähmen und zu Fall bringen. Mediengerecht wurden die Taser ausgeliefert und sollen nun ein Jahr lang erprobt werden. Der Innenminister des Landes Reul (CDU) und der Polizeipräsident der Stadt Lange (SPD ?) waren wie stets gerne bei der Präsentation anwesend. Wer erwartet hatte, sie würden sich als erste den “völlig ungefährlichen” Schüssen als lebendes Beispiel zur Verfügung stellen, sah sich getäuscht. Die Fotografen mussten mit einer Holzatrappe vorlieb nehmen.

 

Die Polizist/innen “an der Front” - so nennen sie die Nordstadt – haben nun neben ihren Pistolen, Schlagstöcken, Reizgaspatronen, Filmgeräten an der Schulter und in der Luft auch noch die neue Nahkampfwaffe – aus den Freunden und Helfern von einst sind Teilnehmer an der planmäßig vorangetriebenen Militarisierung der Gesellschaft geworden. Die Menschen der Nordstadt als Versuchskaninchen für eine Waffe, die die Opfer vorübergehend lähmt, in einen Schockzustand versetzt oder bei Vorerkrankungen auch zum Tod führen kann.

 

Was wird hier geprobt? Ein mögliches Aufbegehren gegen strukturelle Gewalt in diesem gettoisierten Stadtteil einzudämmen? Immer mehr Gewaltandrohung und -ausübung erzeugen aber nicht mehr Sicherheit, sondern zunehmende Gefährdungen, übrigens für alle Beteiligten. Auch die Polizei und ihre Gewerkschaften sollten sich gegen diese Entwicklung wehren. Wir tun dies hier und heute.

 

DKP Dortmund

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