Erklärung des Bündnis Dortmund gegen Rechts zum Mordfall Lübcke
Der lange Schatten des NSU
Man habe die rechte Szene seit 20
Jahren im Blick, so der Leiter des Verfassungsschutzes NRW Kleiner gegenüber dem WDR. Es ging um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten und die Verbindung der rechten Szene NRW (Dortmund) und
Hessen (Kassel).
Da fragen wir: ja und? Was folgte
daraus?
In diesen 20 Jahren wurden in Dortmund 5 Menschen von Nazis ermordet.
+ Im Jahr 2000 erschoss der Nazi
Michael Berger drei Polizist/innen und richtete sich dann selbst. Die braune Szene bekundete Beifall und ließ auf Aufklebern wissen „drei zu eins für Dortmund. Berger ist unser Freund!“
+ 2005 erstach der Nazi Swen Kalin den Punker Thomas Schulz. Nach einer verkürzten Jugendstrafe wegen "guter Führung" frühzeitig aus der Haft entlassen, schlug er einen türkisch stämmigen
Jugendlichen krankenhausreif.
+ 2006 wurde Mehmet Kubasik vom NSU erschossen. Schoss er allein? Wie kam eine Terrorgruppe aus Thüringen auf einen Kioskbesitzer im Dortmunder Norden?
Der Verfassungsschutz "beobachtet"
und schweigt - bis heute.
In den 20 Jahren unter "Beobachtung" entwickelte sich die braune Szene prächtig: neben den 5 Morden Drohungen, Überfälle, Gewalttaten gegen alle, die nicht in ihr nationalistisches Weltbild passen.
Auch der Ausbau der Beziehungen zur Nazi-Szene national und international und zum verbotenen "blood and honour" und "Combat 18" wird von antifaschistischen Bündnissen registriert. Gegen die Nazi-Band
„Oydoxie“, die mit „blood and honour“ verbandelt ist, wurde bereits 2005 von der VVN/BdA wegen ihrer volksverhetzenden und menschenverachtenden Texte Strafanzeige erstattet. Zum Prozess kam es
nicht.
Die Morde an Mehmet Kubasik und dem Kasseler Internetcafe Besitzer Halit Yosgat fallen durch zeitliche Nähe und viele unbeantwortete Fragen auf und lassen Zusammenhänge
vermuten.
2012 wurde die kriminelle Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" verboten und tauchte kurz danach in der von Nazi-Kumpan Christian Worch neu gegründeten Partei "Die Rechte" wieder auf. So konnten die rassistischen Gewalttäter unter Parteienschutz ihr menschenverachtendes Treiben fortsetzen.
Die Verbotsforderung dieser „Partei“ wurde vom Bündnis Dortmund gegen Rechts mit tausenden von Unterschriften dem damaligen Innenminister Jäger übergeben. Der bedankte sich für das zivile Engagement - aber leider könne „Die Rechte“ nicht verboten werden.
"Küsst die Faschisten wo ihr sie trefft!" Der bitter-ironische Text von Kurt Tucholsky aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts drängt sich auf und wir wissen, wie die Verharmlosung und Unterschätzung der Faschisten geendet hat.
Im Mordfall Walter Lübcke gingen die „Aufklärer“ ähnlich vor wie bei der Familie Kubasik. Erst wird das Umfeld in den Blick genommen. Dann führt die gefundene DNA zu einem Nazi, der sich aber schon lange aus der rechten Szene verabschiedet habe, also ein „Einzeltäter“ ist. Auch der NSU soll ja laut Justiz und Verfassungsschutz kein Netzwerk von Unterstützern gehabt haben. Die Wahrheit ist eine andere: Der Nazi Stefan Ernst war bestens in der Naziszene in Kassel und Dortmund und auch mit combat 18 vernetzt und taucht bereits in den NSU- Akten des hessischen Untersuchungsausschusses auf. Ein Dank an die Journalisten, deren Recherche und Bildmaterial zur Wahrheitsfindung beitragen.
Der Ruf nach dem „Starken Staat“ und dem Ausbau eines Verfassungsschutzes, der bei der Aufklärung der NSU Morde eine höchst zweifelhafte Rolle gespielt hat, ist mehr als fragwürdig.
Ein Offenlegen der NSU-Akten, ein Ende des Verharmlosens und das Verbot aller Nazi-Organisationen ist angesagt.