Die erstaunte Zeitung ist ihrer rüstungsfreundlichen Tradition zufolge nicht gegen den Bau eines neuen Kampfjets und gegen die Schonung der Finanzindustrie, hat aber Bedenken dagegen, dass die Finanztransaktionssteuer immer noch nicht endgültig von der Agenda verschwunden ist, sondern nur verschoben wurde. Die Steuer, mit der die Börsenkunden und die Banken zur Erstattung der von ihnen verursachten Schäden herangezogen werden sollte, wurde von der deutschen Kanzlerin und dem neuen französischen Präsidenten nicht sofort beerdigt, aber die Beerdigung wurde in Aussicht gestellt.
So ähnlich, aber entschlossener hat es Donald Trump gemacht: Die Schuldigen an der großen, bisher nicht überwundenen Finanzkrise von 2007 werden freigesprochen. Ja Goldman-Sachs wird ins Weiße Haus geholt. Und den Opfern werden zweifelhafte Arbeitsplatzangebote gemacht - in der Rüstungsindustrie.
Kampfjet heute – Panzerkreuzer damals
Die USA verkaufen für 100 Milliarden Dollar Waffen an Saudi-Arabien. Und nun der neue deutsch-französische Kampfjet. Die Kriegsgefahr bleibt permanent. Die im Krieg verheizt werden sollen, dürfen zunächst noch an der Kriegsvorbereitung mitwirken.
Für die Rettung der Finanzindustrie wurden und werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, nicht aber für ihr Mitwirken an der Schadensbegrenzung. Das erinnert an die Krisenregelungen zu Zeiten der Finanzkrise ab 1929 und den Panzerkreuzerbau von 1931. Sie verschärften die dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche. Sie führten dazu, dass die reaktionärsten Kräfte immer mehr den Ausweg im Faschismus und im Krieg suchten. Auch heute werden wir Zeuge davon, wie national und international die Demokratie abnimmt, wie Banken entlastet und die Massen belastet werden.
Lehren für die aktuelle Erinnerungsarbeit
Antifaschistische Erinnerungsarbeit darf die Geschichte der angeblichen Krisenbewältigungspolitik um 1933 nicht aus dem Blick verlieren. Das erfordert konkretes aktuelles Eingreifen, und zwar in breiten Bündnissen. Zu behaupten, dass erst der bürgerlich-kapitalistischen Staat durch alle am Marxismus und Antiimperialismus orientierten Linken zu beseitigen ist, wenn der Faschismus bekämpft werden soll, ist eine abenteuerliche Desorientierung, die aber immer wieder zu hören ist. Vielmehr muss daran erinnert werden, wohin es führen kann, wenn sich das Finanz- und Rüstungskapital mit reaktionären Politikern verbünden. Dass sich gegenwärtig die großen Medien und die de Maizieres und Co. darin überschlagen, zu betonen, dass man viel zu lange gegen rechts angegangen ist, wo doch der linke Extremismus der Hauptfeind, das muss uns alarmieren.
Die politischen Freunde des Bank- und Rüstungskapitals, das waren 1932/33 die reaktionärsten Konservativen um Franz von Papen und die Nazis. Sie waren in jener Zeit äußerst aktiv, um eine scharfe Wende nach rechts herbeizuführen. Einer der Schauplätze dieser Leute, man kann auch Tatorte sagen, war die heutige Hainallee in Dortmund, wo damals die Villa Springorum stand. Hier tagte am 7. 1. 33 die Ruhrlade.
Aufklärung über die Verbrechen der Wirtschaft
Die VVN-BdA beantragte im Januar 2017:
• Es möge eine Bodenplatte oder eine Tafel geschaffen werden mit der Inschrift:
• „Hier an der Ecke Eintrachtstraße/Hainallee stand die Villa Springorum. Es trafen sich darin am 7. Januar 1933 Franz v. Papen und führende Ruhrindustrielle des Geheimbundes ‚Ruhrlade’, um die Machtübertragung an Adolf Hitler und seine Partei zu entscheiden. Sie erfolgte am 30. Januar 1933, und viele Ruhrindustrielle unterstützten sie. Sie profitierten von Rüstung und Krieg, von der Beseitigung der Demokratie und der Arbeiterrechte, von Antisemitismus, Holocaust und Zwangsarbeit und von der Unterdrückung und Ausplünderung der Völker Europas.“
Die Beantragung ist Teil einer Aktion Spurensuche „Verbrechen der Wirtschaft“, die von der VVN-BdA betrieben wird. Es geht dabei darum, nicht nur die Opfer zu ehren – z.B. mittels Stolpersteinen -, sondern nun auch die Täter anzuklagen und dazu die Tatorte aufzuzeigen. Das Vorbild dafür ist die Stadt Köln. Ein Schild der Stadt Köln, das seit 1996 vorm Hause Stadtwaldgürtel 35 liegt, besagt:
»Hier, im Haus des Privatbankiers Kurt Freiherr von Schröder, trafen sich am 4. Januar 1933 Adolf Hitler und Franz von Papen, um über eine Regierungsbildung zwischen Nationalsozialisten und Rechtskonservativen zu beraten. In einem Gespräch wurden die Weichen für Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des Nationalsozialismus und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen der deutschen Wirtschaft an die SS.«
Die Treffen am 4. Januar 1933 in Köln und das Treffen am 7. Januar in Dortmund stehen in engem Zusammenhang. Doch die wirkliche Entscheidung scheint hier von der geheimen „Ruhrlade“ getroffen worden zu sein.
Dies ist aber weithin unbekannt, und soll daher bekannt gemacht werden. Insbesondere die Täter aus dem Kreise der Wirtschaftsführer wurden bisher nicht angegriffen. Naziverbrecher aus ihren Kreisen werden geehrt, etwa Krupp, an dessen Jubiläumstagen ganz Essen Kopf steht. Es käme hingegen niemand auf die Idee. in der Geburtsstadt von Goebbels, in Mönchengladbach, großartig an seinen Geburtstag zu erinnern. Auch der Steigbügelhalter Hitlers, Franz von Papen, war bis vor kurzem noch Ehrenbürger von westfälischen Städten. Er war Verbindungsmann zwischen Wirtschaft und Nazis und gehörte 1933 dem ersten Kabinett Hitler an.
Die Stadtratsfraktion der SPD erwirkte die Aberkennung des Ehrenbürgerstatus für Franz von Papen in seiner Heimatstadt Dülmen. Es wurde festgestellt:
"Franz von Papen bewohnte von 1919 bis 1930 das Schloss in Merfeld. Er war von 1920 bis 1932 Abgeordneter des Zentrums im Preußischen Landtag und von 1928 bis 1930 ‚Ehrenbürgermeister‘, also ohne Besoldung. 1932 Reichskanzler und von 1933 -1934 Vizekanzler im ersten Kabinett Adolf Hitler.
Von Papen war seit 1932 Ehrenbürgermeister der Gemeinde Merfeld und ist seit 1933 auch Ehrenbürger der Stadt Dülmen. (…) Mit der Aberkennung der Ehrenbürgerwürde setzen wir gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus und Nationalismus und für Demokratie und Toleranz."
Was wurde aus unserem Antrag in Sachen Ruhrlade/Hainallee?
Er wurde einstimmig von der Dortmunder Bezirksvertretung Innenstadt-Ost abgelehnt. Den Mitgliedern der geheimen Ruhrlade wurde ein Persilschein durch das Stadtarchiv ausgestellt. So nannte man ab 1945 die Dokumente für die Freisprechung von Naziverbrechern. Das Stadtarchiv gab zum Antrag der VVN-BdA diese Stellungnahme ab:
Betreff: Antrag VVN-BDA (Ulrich Sander) für eine Gedenktafel in der Hainallee
15.05.2017 - 41 /Archiv F22159.
"Die beantragte Tafel wirft wichtige historische Fragen auf, die ich im Folgenden in aller Kürze erläutern möchte. Letztlich geht es um die Frage, warum Hitler am 30. Januar 1933 Kanzler wurde. Dies ist eine äußerst komplexe Frage. Sie muss in zwei Richtungen beantwortet werden:
1. Warum scheiterte die erste deutsche Demokratie?
2. Was passierte um die Tage des 30. Januars 1933?
Zur ersten Frage:
Bereits seit 1930 regierten in Deutschland nur noch Kabinette, die vom Reichspräsidenten eingesetzt worden waren. Die Zahl der Menschen, die eine demokratische Zukunft in Deutschland wollten, wurde immer geringer. Eigentlich waren es nur noch die Sozialdemokraten.
Die geistige Elite der Republik, die vielfach von Beginn an reserviert der Demokratie gegenüber gestanden hatte, wandte sich immer stärker ab. Zudem hatten die Gegner von rechts (NSDAP) und die von links (KPD) einen immer größeren Zulauf. Die Massenbasis der Antidemokraten wurde immer größer. Die Wirtschaftseliten, v.a. die Schwerindustrie, war von Beginn skeptisch gegenüber der Demokratie. Viel lieber hätten sie ihre Geschäfte in einem monarchischen System weitergeführt. Einige, wie Rathenau, wurden aber auch zu aktiven Demokraten. Ende 1932/Anfang 1933 waren die führenden Wirtschaftsvertreter an einer „Sammlung der nationalen Konzentration“ interessiert, also einem rechtskonservativen Zusammenschluss der bürgerlichen Kräfte als Gegengewicht gegen Hitler. Für die meisten Schwerindustriellen waren die Nationalsozialisten nämlich eine Ansammlung von Proleten, die - wie im Parteiprogramm der NSDAP festgeschrieben - eine Verstaatlichung der Großindustrie betreiben wollten. Dass es daneben einzelne gab, die aktive Anhänger Hitlers waren, wie Fritz Thyssen und Emil Kirdorf, soll nicht unter den Tisch fallen.
Die Industriekapitäne wollten also durchaus die Demokratie abschaffen und ein Modell, ähnlich dem Dollfuß‘schen in Österreich, einführen. Wahrscheinlich wären der Menschheit aber dann die Shoah und ein von Deutschland angezettelter Zweiter Weltkrieg erspart geblieben.
Dass die Wirtschaft nach dem Beginn der Kanzlerschaft Hitlers gute Geschäfte mit der nationalsozialistischen Politik gemacht hat, ist unbestreitbar. Daraus Schlüsse auf deren Einstellungen vor 1933 zu ziehen, ist historisch aber nicht statthaft.
Zur zweiten Frage:
Nahezu alle Historiker sind der Meinung, dass vor allem der Reichslandbund, die Vereinigung der Großagrarier und Junker, bei Hindenburg die Kanzlerschaft Hitlers durchgesetzt hat. Das passt auch gut in die Persönlichkeitsstruktur des Reichspräsidenten. Selber ostpreußischer Junker hörte er lieber auf seinesgleichen. Selbst wenn die führenden Industriemanager sich bei ihm für Hitler verwandt hätten (was sie nicht getan haben), hätte Hindenburg nicht zwangsläufig auf sie gehört.
Aus dem obigen folgt, dass das Stadtarchiv einer Tafel an der Hainallee mit der vorgeschlagenen Beschriftung nicht zustimmen kann. Ein ähnlicher Antrag wurde bereits 2009 von der VVN als Bürgerantrag gestellt und im damals zuständigen Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden am 3. Februar 2009 abgelehnt.
Dr. Mühlhofer"
Einige Gedanken zur Stellungnahme des Stadtarchivs Dortmund
Er wiederholt die These, dass Nazis und Kommunisten die erste deutsche Demokratie vernichtet hätten. Er räumt ein, dass auch die Großindustriellen die Demokratie abschaffen wollten, aber nicht eine Nazidiktatur wünschten.
Ich möchte mit einem sozialdemokratischen Dokument antworten und auf das Jahr 1918/19 zurückgehen, auf den Ursprung von der Weimarer Republik, und da wurde die Grundlage für das Versagen der Weimarer Republik gelegt:
"Die Sozialdemokratie als (1918/19) einzig intakt gebliebene organisierte Macht übernahm ohne Widerstand die Staatsführung, in die sie sich von vornherein mit den bürgerlichen Parteien, mit der alten Bürokratie, ja mit dem reorganisierten militärischen Apparat teilte. Daß sie den alten Staatsapparat fast unverändert übernahm, war der schwere historische Fehler, den die während des Krieges desorientierte Arbeiterbewegung beging." So heißt es im Prager Manifest der SPD-Führung vom Januar 1934.
Zur Rolle des Kapitals und der Feudalherren wird dort ausgeführt, und zwar in der Passage darüber, was getan werden muss:
"Die Zerschlagung des alten politischen Apparates muß gesichert werden gegen seine bisherigen gesellschaftlichen Träger. Das erfordert: Sofortige entschädigungslose Enteignung des Großgrundbesitzes, (...) Sofortige entschädigungslose Enteignung der Schwerindustrie. Übernahme der Reichsbank in den Besitz und die Verwaltung des Reiches. Vergesellschaftung und Übernahme der Großbanken durch die vom Reich bestimmten Leitungen.
Erst nach der Sicherung der revolutionären Macht und nach restloser Zerstörung der kapitalistisch-feudalen und politischen Machtpositionen der Gegenrevolution beginnt der Aufbau des freien Staatswesens mit der Einberufung einer Volksvertretung, gewählt nach allgemeinem, gleichem, direktem und geheimem Wahlrecht."
Die Spaltung der Linken und der Demokraten als Grund für den Sieg der Nazis wird von Dr. Mühlhofer nicht angesprochen, aber dazu wird sehr wichtiges in dem SPD-Dokument ausgesagt:
"Die Differenzen in der Arbeiterbewegung werden vom Gegner selbst ausgelöscht. Die Gründe der Spaltung werden nichtig. Der Kampf zum Sturz der Diktatur kann nicht anders als revolutionär geführt werden. Ob Sozialdemokrat, ob Kommunist, ob Anhänger der zahlreichen Splittergruppen, der Feind der Diktatur wird im Kampf durch die Bedingungen des Kampfes selbst der gleiche sozialistische Revolutionär. Die Einigung der Arbeiterklasse wird zum Zwang, den die Geschichte selbst auferlegt." (Quelle: Prager Manifest des sozialdemokratischen Emigrationsvorstandes "Kampf und Ziel des revolutionären Sozialismus. Die Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" vom 28. Januar 1934, lt. Neuer Vorwärts, Nr. 33)
Es wird heute da und da eingewendet, dass das von den führenden Sozialdemokraten Friedrich Stampfer und Rudolf Hilferding verfasste Manifest, das im Zentralorgan "Neuer Vorwärts" veröffentlicht wurde und die "gemeinsame Front aller antifaschistischer Schichten" unter Einschluss der Kommunisten propagierte, in der SPD nicht die gewünschte Wirkung erreichte. Das mag für die Handlungsorientierung gelten, aber nicht für das Analytische des Textes. Diese Analyse war als Lehre aus 1933 allgemeines Wissen. Man kann nur hoffen, dass man sich in der SPD wieder mehr an jenem Manifest orientiert.
Zur Rolle der Ruhrlade sei hier zusammengefasst. was Prof. Gustav Luntowski, früherer Dortmunder Stadtarchivar, ermittelte. Er konnte für sein Buch „Hitler und die Herren an der Ruhr – Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich“ bisher ungenutzte Quellen auswerten, darunter die Privatarchive der Herren der Ruhrlade. Er kam nicht umhin festzustellen, daß „eine Mitverantwortung der Industriellen für das nationalsozialistische Unrechtssystem“ nicht zu verneinen sei. Die Ruhrlade vertrat „die damals in konservativen Kreisen allgemein vertretenen Positionen“ (so Luntowski), als da waren:
„Ein ,großdeutsches Reich' (Zusammenfassung aller geschlossen siedelnden Deutschen und Anschluß Deutsch-Österreichs), Bekämpfung des ,Systems von Versailles’ und der ,Kriegsschuldlüge’, Wiederherstellung der deutschen Wehrhoheit, Revision der Ostgrenzen (Korridorfrage), Ablehnung des demokratisch-parlamentarischen Systems von Weimar, schärfste Bekämpfung des Marxismus, Unantastbarkeit des Privateigentums usf.“
Das wirtschaftspolitische und allgemeinpolitische Programm der geheimen Schwerindustrievereinigung "Ruhrlade" schrie geradezu nach einem Mann wie Hitler: Tarifverträge allenfalls im Betrieb, also nicht überbetrieblich, Beschränkung aller sozialen Ausgaben, Verringerung der Arbeitslosenunterstützung und „Kampf mit den Gewerkschaften mit aller Schärfe“, so Paul Reusch (Gutehoffnungshütte), der zusammen mit Albert Vögler (Vereinigte Stahlwerke) als Scharfmacher der Ruhrlade wirkte. Reusch wies im Jahre 1932 als Mitbesitzer die Münchner Neusten Nachrichten an, hinter dem NSDAP-Organ Völkischer Beobachter nicht sehr zurückzustehen, und erklärt namens des Aufsichtsrates zur „vornehmsten Aufgabe des Blattes“ die Pflege des „nationalen Gedankens“.. Zur Entlastung des Großkapitals wird heute gern angeführt - auch von Dr. Mühlhofer -: Die Industrielleneingabe von November 1932 an Reichspräsident Hindenburg zugunsten Hitlers sei ohne Wirkung geblieben, erst nach dem 30. Januar 1933 seien die Industriellen auf die Gegebenheiten eingeschwenkt, vorher hätten sie die Zusammenarbeit mit der NSDAP verweigert. Tatsächlich aber standen für die Nazipartei wie für einzelne Nazis schon Jahre vor 1933 unzählige Finanztöpfe bereit. Von der Eingabe an Hindenburg veröffentlichte Luntowski in einer Ausstellung des Dortmunder Stadtarchivs ein Begleitschreiben, mit dem die Herren Albert Vögler, Paul Reusch und Fritz Springorum unter dem Eingangsstempeldatum des Büros des Reichspräsidenten vom 22. 11. 32 mitteilen, daß sie „voll und ganz auf dem Boden der Eingabe stehen“.
Bereits im Dezember 1932 war in einem vertraulichen Bericht aus dem „Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen“ (Langnamverein) konstatiert worden, „daß fast die gesamte Industrie die Berufung Hitlers, gleichgültig unter welchen Umständen, wünscht“. (alle Zitate aufgefunden im Bundesarchiv, bei Luntowski S. 80 u.a.)
(Quelle: Gustav Luntowski: „Hitler und die Herren an der Ruhr – Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich“, Peter Lang Frankfurt am Main/Bern, Europäischer Verlag der Wissenschaften, 2000, 315 Seiten, 52,-- Euro; siehe auch: Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, Siedler Verlag, München 2007, 927 S., 44 Euro
Über die Bedeutung des Treffens vom 7.1.33 gibt ein Buch Auskunft, das zumeist unberücksichtigt blieb: Joachim Petzold: Franz von Papen. Ein deutsches Verhängnis. Buchverlag Union, München und Berlin 1995. 335 Seiten, 58,- Mark.
Dazu fanden wir eine FAZ-Rezension von Wolfgang Elz vom 29.12.95, in der deutlich wird: Seit Sommer 1932 lief die Connection Kapital-Hitler vor allem über Franz von Papen, der übrigens in Dülmen wohnte. Von Papen hat hinter den Kulissen und in Geheimgesprächen im Januar 1933 die Übernahme des Kanzleramts durch Hitler vorbereitet. Das Konzept der hinter Papen stehenden rechten Kreise sah die "Einrahmung" oder die "Zähmung" Hitlers und seiner Partei vor, also deren Abnutzung in der Regierungsverantwortung bei gleichzeitiger Kontrolle durch die rechtskonservative Mehrheit des Kabinetts, dem Papen als Vizekanzler angehören sollte. Sehr schnell zeigte sich jedoch, daß dieser Plan auf völlig falschen Annahmen beruhte. Die Schlagkraft Hitlers und seiner Bewegung, die bald Tatsachen schuf, war fatal unterschätzt worden, und die Konservativen sahen sich sehr bald an den Rand gedrängt. (...)
Daß die Groß- und insbesondere die Schwerindustrie ähnlich wie Vertreter der anderen "alten Eliten" in der Endphase der Republik keine gute Rolle gespielt haben, daß sie durch die massive Unterstützung der republikfeindlichen Kräfte am rechten Rand des bürgerlichen Spektrums zur weiteren Aushöhlung des politischen Systems, zur Stärkung autoritärer Staatsvorstellungen und damit indirekt zur "Machtergreifung" beigetragen haben, der sie sich jedenfalls nicht widersetzten und die einzelnen und selbst einigen Gruppen von ihnen nicht unlieb gewesen ist: All das ist in der Forschungsdiskussion der letzten Jahre und Jahrzehnte herausgearbeitet worden.
Wie weiter in der Spurensuche „Verbrechen der Wirtschaft“ am Beispiel Dortmunds?
Die Lage ist diese:
Die Gedenkstätte „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ soll Medienberichten zufolge hinsichtlich der antikapitalistischen Kritik entschärft werden, indem die Dauerausstellung auf die Themen ‚Polizei und Verfolgung durch die Polizei‘ reduziert wird. Daher soll offenbar der Raum 7 „Die Schwerindustrie setzt auf Hitler“ entfernt werden. Aussagen in diesem Raum werden nunmehr als unzutreffend angezweifelt. (siehe oben: Stellungnahme des Stadtarchivs zum VVN-BdA-Antrag).
-In der Hainallee soll nach Meinung der Stadt eine Warnung vor der Ruhrlade entfallen.
-Am Phönixsee ist das Gedenken an die Zwangsarbeiter und das Arbeitserziehungslager noch immer nicht in Sicht
und die
-Kirdorf-Siedlung wird ihren inoffziellen Namen behalten; eine beschlossene Warntafel verzögert sich weiter.
Warum die Spurensuche? Dazu meine ich: Vor neuem Faschismus zu warnen und ihn abzuwenden, kann sich nicht auf „Nazis raus aus unserer Stadt“ beschränken. Die sich anbahnenden Geschichtsrevision des Stadtarchivs zur Frage der politischen Kräfte vor 1933 muss ebenso im Blick bleiben.
Wie ich eingangs ausführte, müssen wir die internationalen und bundesweiten Verhältnisse von damals (Weltwirtschaftskrise) und heute (anhaltende Finanzkrise) beachten. Die rechtesten Kräfte weltweit erringen mehr Macht und das erste, was sie unternehmen, ist die Rüstungskosten zu erhöhen und die neuen Waffen zum Einsatz bereit zu halten, um die Krisenfolgen fürs Kapital – aber nicht für die kleinen Leute - abzumildern. Das schlimmste Beispiel: Trump will die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie und die Profite dort vervielfältigen, und er liefert für 100 Milliarden neue Waffen an den aggressiven Feudalstaat Saudi-Arabien, der Krieg führt und überall die schlimmsten quasi faschistischen Bewegungen fördert. Trump selbst setzt immer mehr auf Krieg. Man kann sagen: Rechtsentwicklung bedeutet Krieg. „Die Schwerindustrie (d.h. die Rüstungsindustrie) setzte auf Hitler“ (Raum 7!) und sie setzt heute auf Trump, aber auch auf die NATO, auf Merkel und von der Leyen, auf das Programm der AfD, auf Rassismus, auf Rüstungsexport, auf Thyssen-Krupp, Rheinmetall.
Die Abmilderung und Verklärung des geschichtlichen Faschismusbildes in unserer Stadt muss beantwortet werden mit einer grundsätzlichen Alternative.
Der französische Sozialist Jean Jaurès hat es treffend formuliert: “Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen." Und 1933-35 wurde treffend von den Kommunisten formuliert, dass der Faschismus an der Macht die Herrschaft der am meisten aggressiven Kräfte des Kapitals bedeutet. Diese Kräfte des Monopolkapitals müssen entmachtet werden, bevor sie wieder auf die reaktionärste Variante kapitalistischer Herrschaft setzen können. Noch heißt es nicht: Die Schwerindustrie setzt auf die AfD, aber die AfD und auch die Union setzen auf die Hochrüstung und den Rüstungsexport wie auf die dazu gehörige Industrie. Und sie schließen Krieg und Abbau der Demokratie ja bekanntlich nicht aus.
Die Kriegsvorbereitung und Rechtsentwicklung werden begünstigt durch eine Tabuierung der Kapitalismuskritik. Antifaschistische Kapitalismuskritik wird als Linksextremismus und damit verfassungsfeindlich denunziert. Gleichzeitig gibt es Fördermittel nur für Projekte der politischen Bildungsarbeit, die strikt auf Antikapitalismus verzichtet. Vereinfacht gesprochen: Die neue Steinwache in Dortmund wird nur gefördert, wenn der Raum 7 und ähnliches verschwindet. Das Schicksal der Gedenkstätten von Oberhausen und Essen soll auch Dortmund ereilen. Dort wurde die Darstellung des antifaschistisch/ antikpitalistischen Arbeiterwiderstandes sehr dezimiert bzw. ganz beseitigt; Oberhausen erhielt den Themenschwerpunkt Zwangsarbeit, doch wer die Sklavenhalter waren, wird nicht mehr deutlich.
Anhang
Kirdorf-Siedlung
Information von Christian Krause, Die Grünen, vom 30. Mai 2017
Betreff: AW: Nochmals zu Kirdorf und andere
… Genervt bin ich von diesem zähen Ablauf. Ich habe in der März-Sitzung und in der Mai-Sitzung bei der Geschäftsführung nachfragt und beide Male die Antwort bekommen, dass die Einweihung "demnächst" stattfinden soll. …
Unsere Organisation VVN-BdA hat am 12. 7. 2011 beantragt, in Dortmund-Eving an der sog. „Kirdorf-Siedlung“ eine Mahntafel anzubringen mit einem Text, der darauf hinweist, dass hier der Großindustrielle Emil Kirdorf (1847-1938) wirkte bzw. Spuren hinterließ. Er war Bergbau- und Hüttenunternehmer und hatte schon seit 1923 Kontakt zur NSDAP, wurde 1927 Mitglied dieser Partei und verschaffte Hitler viel Geld und beste Kontakte zu anderen Industriellen, die dann seinen Aufstieg und den Weg Deutschlands ins Verderben förderten. Er war einer der Hauptförderer der NSDAP. Hitler nannte ihn seinen Lebensretter, weil Kirdorf auch privat Hitler finanzierte. Kirdorf hat Krieg und Massenmord bewirkt; er verdient keine Ehrung.
Zum Phönixsee
Information des Stadtarchivs vom 1. Juni 2017
Betreff: Antwort: WANN GEHT ES LOS? Kommt das Denkmal für die Zwangsarbeiter/innen von Dortmund?
Hinweis: Der Ausführungsbeschluss ist auf dem Unterschriftenweg und geht dann in die Fachausschüsse und den Rat.
Dr. Stefan Mühlhofer
Direktor des Stadtarchivs Dortmund
Die VVN-BdA hatte berichtet:
Erfolg der Bemühungen der VVN-BdA Dortmund?
2017 soll der Gedenkort für die ermordeten Zwangsarbeiter der Stahlindustrie (VESTA, später Hoesch, dann Thyssen-Krupp) fertig gestellt werden.
Die VVN-BdA hat schon 2002 beantragt, eine Gedenktafel dort anzubringen, wo das Auffanglager Hermannstr. stand. Dann kam die Planung, dort in Dortmund-Hörde auf dem ehem. Hoesch-Gelände alles abzureißen und einen künstlichen Phönixsee zu schaffen. Es handelte sich um ein Arbeitserziehungslager, um ein betriebliches KZ der Stahlindustrie, gemeinsam betrieben mit der Gestapo. Von dort wurden Opfer der Bittermark- und Rombergparkmorde im Frühjahr 1945 weggebracht, und sie kamen nicht zurück.
Im Folgenden wird eine alles in allem bisher langwierige, aber möglicherweise erfolgreiche Aktion unserer VVN-BdA Dortmund geschildert:
Sie hatte beantragt, an die Opfer des Betriebs-KZ an der Hermannstraße in Dortmund-Hörde zu erinnern und den Ort nicht im geplanten Phönix-See versinken zu lassen. Nun nach 14 Jahren soll das Projekt endlich verwirklicht werden, wenn 2017 der Betrag von 90.000,--Euro von der Stadt bewilligt wird. Der Beschluss der Stadt Dortmund aus dem Jahr 2014 wird nachfolgend zitiert.
Man schrieb seitens der Stadt:
"(…) Aktuell ist ein unabhängiges Architekturbüro mit der Planung beauftragt. Es mussten Bodenproben u.a. analysiert werden, so dass sich das Vorhaben verzögert hat.
Diese Planung wird noch in diesem Jahr fertig gestellt. Anschließend wird die Bezirksvertretung darüber informiert.
Der Bau kann dann in 2017 erfolgen, vorbehaltlich einer Bereitstellung der entsprechenden Finanzen."
Nach langem hin und her wurde der Antrag der VVN-BdA dahingehend zustimmend behandelt, dass auf der Höhe des ehemaligen Emschertors eine Gedenkstätte geschaffen wird. Dieser Grundsatzbeschluss ist schon zehn Jahre alt. Die Stelle, die die VVN für den Gedenkort vorschlug, wäre authentisch gewesen, sie ist noch immer nicht bebaut worden oder im See versunken. Allerdings gäbe es dort weniger Publikumsverkehr als jetzt an der beschlossenen Stelle direkt am Seeufer. Hoffentlich kommt es nun zu dem Bau der Gedenkstätte und es stehen nicht länger Bürokratie und Haushaltssperren dagegen.
Der gültige Beschluss, der kürzlich im Oktober bekräftigt wurde, aber schon
29 Monate alt ist, hat den Wortlaut:
„Rat 15.05.2014 zu TOP 6.4
Mahnmal für ehern. Zwangsarbeiter am PHOENIX See Beschluss (Drucksache Nr.:
12087-14)
(…) Der Rat der Stadt fasste - unter Berücksichtigung der Empfehlung des Ausschusses für Finanzen, Beteiligungen und Liegenschaften und unter Berücksichtigung der entsprechenden Hinweise aus dem Ausschuss für Kultur, Sport und Freizeit sowie aus der Bezirksvertretung Hörde - mit Mehrheit gegen die Stimme von Rm Thieme (NPD) folgenden Beschluss:
Der Rat der Stadt Dortmund begrüßt die Planungen der Verwaltung, am Südufer des PHOENIX Sees eine zentrale Gedenkstätte für die in Dortmund während des Zweiten Weltkriegs eingesetzten Zwangsarbeiter zu errichten. Die Umsetzung erfolgt 2015. (…)
Die Vorlage
Stadt Dortmund
Drucksache Nr.: 12087-14
(…)
Tagesordnungspunkt
Mahnmal für ehern. Zwangsarbeiter am PHOENIX See Beschlussvorschlag Der Rat der Stadt Dortmund begrüßt die Planungen der Verwaltung, am Südufer des PHOENIX Sees eine zentrale Gedenkstätte für die in Dortmund während des Zweiten Weltkriegs eingesetzten Zwangsarbeiter zu errichten. Die Umsetzung erfolgt 2015. Der Rat beauftragt (…) die Planungen zu konkretisieren
(Detailplanung) und dem Rat in einem zweiten Schritt einen Baubeschluss zur Abstimmung vorzulegen.
Finanzielle Auswirkungen
Die Kosten für die Errichtung der Gedenkstätte liegen nach einer ersten Schätzung bei rd. 90.000,- €. Die Finanzierung erfolgt über den Wirtschaftsplan der Kulturbetriebe Dortmund. Nach Möglichkeit werden
Förder- und weitere Drittmittel eingeworben. Die Fragen zur exakten Höhe der Kosten, deren Trägerschaft und somit zu etwaigen finanziellen Auswirkungen, werden bis zum Baubeschluss geklärt.
Ullrich Sierau Jörg Stüdemann Martin Lürwer
Oberbürgermeister Stadtdirektor Stadtrat
Begründung
Mehr als 13 Millionen ausländische Zwangsarbeiter wurden während des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich ausgebeutet. Das nationalsozialistische Deutschland hatte den Krieg lange geplant und vorbereitet. Sein Ziel war die Unterwerfung und Ausbeutung Europas. Dafür wurden die besetzten Gebiete ausgeplündert und Millionen Männer, Frauen und Kinder in das Deutsche Reich verschleppt. Überall wurden Zwangsarbeiter eingesetzt - in Rüstungsbetrieben ebenso wie auf Baustellen, in der Landwirtschaft, im Handwerk oder in Privathaushalten. Jeder Deutsche ist ihnen begegnet - ob als Besatzungssoldat in Polen oder als Bäuerin in Thüringen. Es war das große öffentliche Verbrechen der Nationalsozialisten.
Allein in der Industriestadt Dortmund waren bis zu 80 000 Männer und Frauen als Zwangsarbeiter eingesetzt. Fast ein Viertel dieser Arbeitskräfte musste allein für den Dortmund Hörder Hüttenverein (DHHV) arbeiten, dessen Werk Phönix an der Stelle des heute gleichnamigen Sees lag.
Zudem befand sich hier am ehemaligen Emschertor/Hermannstraße auf dem Werksgelände während des Zweiten Weltkrieges auf Wunsch der Konzernleitung auch ein Lager der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Zunächst diente das sogenannte Auffanglager für etwa 80-100 Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion dazu, diejenigen, die die menschenverachtenden Ausländergesetze der Nationalsozialisten übertreten hatten, zu „disziplinieren“ und gleichzeitig zu immer unmenschlicheren Arbeitsleistungen für den DHHV zu zwingen.
Im März 1945 diente das Lager zur Unterbringung unterschiedlicher Gruppen von Gestapo-Häftlingen, von denen viele von hier aus in den Rombergpark gebracht und dort kurz vor Kriegsende ermordet wurden.
Bis heute wurde diesem großen öffentlichen Verbrechen der Nationalsozialisten in Dortmund nicht in adäquater Weise gedacht. Für die Stadt Dortmund, die derartig intensiv darin verwickelt ist, die aber zugleich der vielen anderen Verbrechen der Nationalsozialisten vielfältig gedenkt, ist es von besonderer Bedeutung, auch diesem Verbrechen im öffentlichen Raum würdig zu gedenken.
Der Standort am PHOENIX See eignet sich aus dem oben genannten Gründen besonders. Zudem lassen sich in fußläufiger Nähe nahezu alle Formen der Zwangsarbeit exemplarisch belegen.
Im Rahmen eines Konstruieren-3-Seminars an der Fachhochschule Dortmund wurden im Sommersemester 2013 in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Entwürfe für ein zentrales Dortmunder Denkmal zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter erstellt. Als am besten umsetzbar und dem Thema am angemessensten war der Entwurf der Studentin Pia-Laureen Emde. Zusammen mit ihrem Dozenten, Dipl.-Ing. Marc Horstmeier entwickelte sie das Modell weiter. (…)
Der Gestaltungsbeirat der Stadt hat dieses Projekt am 03.04.14 beraten.
Sowohl der Standort als auch die Ausführung des Denkmals werden ausdrücklich positiv zur Umsetzung empfohlen. Der Beirat schlug vor, über eine "Visierung" (Nachbildung der Umrisse vor Ort in Form einer einfachen Holzkonstruktion) das Feintuning vorzunehmen. (...) "