Mir graust vor solchen Siegen in noch mehr Blut. Ich verabscheue diesen falschen, völkerrechtswidrig geführten Krieg, sehe die weinenden Soldatenmütter auf beiden Seiten und das Elend der zivilen Opfer. Umso mehr verfluche ich die für den Krieg ursächlichen Oligarcheninteressen und das Versagen der internationalen Diplomatie vor einer doch früh durchschaubaren amerikanischen Fallenstellerei. Die spielt längst mit Europas Interessen Pingpong und hat eine im Korruptionssumpf schlingernde Ukraine wohlkalkuliert zum Austragungsort eines nun schon länger dauernden Stellvertreterkriegs präpariert. Es gab Zeiten, in denen weltpolitische Entscheider vor dem Bruchpunkt des Weltfriedens besonnen einlenkten. Auch dieser Krieg, dessen nukleare Eskalation nicht ausgeschlossen ist, hätte verhindert werden können, wenn – wie in der karibischen Raketenkrise – die plausiblen Sicherheitsinteressen aller Seiten respektiert worden wären. Aber solche Räson ist im Westen heute steilem Rüstungswahn, profitabler Rohstoffumverteilung und ruinöser Subordination unter eine Washingtoner Hegemonie geopfert. Kriegsgewinnler á la Rheinmetall bejubeln das von der Ampel angekündigte 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr. Blinder Sanktionseifer will Russlands Öl und Gas abdrehen. Ein grüner Wirtschaftsminister bettelt arabische Musterdemokratien um Ersatz an und amerikanische Lieferanten werden ihr dreckiges und teures Fracking-Gas los. Unsichere Zeiten erwarten die deutsche Industrie. Arbeitsplätze wanken nicht nur in Schwedt und Leuna. Sprit, Heizstoffe und Konsumgüter werden für viele Menschen unerschwinglich – letztlich alles dargebracht auf dem Altar eines dünkelhaften Epochensiegs westlicher Werte, als hätten die sich nicht in Vietnam, Irak, Libyen, Jugoslawien, dem kleinen Grenada oder beim trumpistischen Sturm auf das Kapitol als ideologischer Schaum entpuppt.
Das Elend der Grünen ist ihr Einverständnis mit dem Versuch, die Welt unipolar, nach der Pfeife der USA neu zu ordnen. Seit Joseph Fischer bundesdeutsche NATO-Flieger gen jugoslawische Städte aufsteigen ließ, ist Friedenslust als fundamentaler Zweig altgrüner DNA amputiert. Dieser Fischerismus findet im Bellizismus der Generation Baerbock seinen aktuellen Höhepunkt. Die zur Ikone hochgeschriebene Außenministerin dilettiert in ihrem Fach. Sie gedenkt, Russland zu „ruinieren“ und kann nach Feldherrinnen-Manier den Krieg „nur unter der Alternative von Sieg oder Niederlage“ (Habermas) denken, nicht aber in Kategorien nachhaltiger Friedenssicherung. Baerbock, Habeck und die anderen grünen Wünschelrutengänger verspielen Zeit und Zukunft. Von ihrem ökologischen Traum ganz zu schweigen.
Kolumne in der uz vom 3. Juni 2022